Montag, 19. Oktober 2015

Bastelmotor von Faller

In den fünfziger Jahren produzierte die Firma Faller einen langsamlaufenden Bastelmotor, der sich radikal von allen verbreiteten Motoren unterscheidet. Ganz ohne Getriebe erzeugt er eine langsame, gleichmäßige Drehbewegung. Die Frequenz des Stromes ist ihm weitgehend egal, nur Gleichspannung funktioniert nicht. 


Einsatz fand er als Wind- und Wassermühlenantrieb oder als Taktgeber für Läutwerke und Blinklichter. Heute ist dieses nostalgische Stück Technik aber weitgehend vergessen. Ein Grund ist die geringe Lebensdauer, für die nur ein Bauteil verantwortlich ist: eine Membran, die das Drehmoment auf die Motorwelle überträgt. Wie dieser exotische Motor funktioniert und wie er sich instandsetzen lässt, erläutere ich hier.

Aufbau und Funktionsweise


Der Bastelmotor kommt mit nur einer Spule (A) aus. Ihr Widerstand liegt bei etwa 200 Ω. Sie bildet die Durchflutungsquelle eines magnetischen Kreises, bestehend aus einem scheibenförmigen Anker (B), einem Joch (C) und einer Hülse (D). Diese Elemente sind weichmagnetisch, Dauermagneten und weitere magnetisch wirksame Komponenten sind nicht vorhanden.

Vereinfachte Schnittzeichnung des Bastelmotors

Der Anker ist durch eine Membran (E), dem schon erwähnten Schwachpunkt der Konstruktion, mit der Antriebswelle (F) verbunden. Sobald die Spule von Wechselstrom durchflossen wird, erzeugt sie eine pulsierende Kraft, die den Anker anzieht. Zwei Bürsten (G) stützen diesen ab.

So entsteht zunächst eine lineare, oszillierende Bewegung. Dass daraus eine Drehbewegung wird, liegt an den Bürsten. Ihre Borsten sind nämlich leicht geneigt. Bei jeder Schwingbewegung geben sie der Scheibe eine leichte Drehung mit. So entsteht eine ruckartige Drehbewegung, doch da sie mit 100 Hz pulsiert, nimmt der Mensch sie als kontinuierlich wahr.

Anders als anderswo fälschlich behauptet dienen Anker und Bürsten nicht als Bremse, sondern sind im Gegenteil Ursprung der Drehbewegung. Die Antriebswelle dient dagegen nur zur Übertragung des Drehmoments an eine wie auch immer geartete Last, z.B. die Flügel einer Windmühle. Die Welle ist auch nicht erforderlich, um eine Drehbewegung zu erzeugen. Der Motor läuft auch ohne sie, wobei der Anker in diesem Fall durch die Reluktanzkraft zentriert wird, wie ein Video beweist:


Falls noch jemand daran zweifelt, dass die Drehbewegung durch die Bürsten erzeugt werden, kann er eines meiner Experimente wiederholen: Wenn die Bürsten abgetrennt und um 180° verdreht wieder aufgeklebt werden, läuft der Motor rückwärts.

Eine weniger umständliche Art, die Drehbewegung umzukehren, kenne ich leider nicht. Die Ausgangslage des Rotors spielt hierbei keine Rolle. Anders als bei einer Spaltpolmaschine hilft es auch nicht, den Motor in die gewünschte Richtung "anzuwerfen", ehe man den Strom einschaltet. Für regelmäßige Richtungswechsel ist daher ein herkömmlicher Gleichstrommotor besser geeignet.

Kontaktgeber


Beim Kontaktgeber 631 wird der Motor um eine Art Nockenwelle ergänzt, die einen elektrischen Kontakt betätigt. Damit kann man zum Beispiel diverse Läutwerke (Faller 239, 632, 638) oder Blinklichter betreiben. Über ein Poti (die braune Säule links) wird die Geschwindigkeit gesteuert. Der Widerstand der Spule beträgt hier 260 Ω, zusammen mit dem Poti kommt man auf bis zu 610 Ω.

Der Kontaktgeber 631

Für Wechselblinker eignet sich der Kontaktgeber nicht, da er dafür einen Wechselkontakt bräuchte. Halbleiterschaltungen sind hier ohnehin überlegen, vor allem im Hinblick auf Haltbarkeit, Einstellmöglichkeiten, Platzbedarf und Stromaufnahme. Übrigens ersetzte die Firma Faller den Kontaktgeber später durch eine weiterentwickelte Variante mit Synchronmotor, die Artikelnummer wurde aber beibehalten.

Reparatur defekter Membranen


Provisorisch kann man eine gerissene Membran durch einen zurechtgebogenen Stahldraht ersetzen. Das geht zwar schnell, zentriert die Scheibe aber nicht optimal. Als Resultat wird die Drehbewegung ungleichmäßig. Auf lange Sicht sollte man zu einer besseren Methode greifen.

Der Kontaktgeber 631 mit Metallfeder statt der gerissenen Membran

Fündig wird man im Fahrradhandel. Aus Flicken, mit denen man sonst Fahrradschläuche repariert, kann eine neue Membran ausgeschnitten werden. Dazu entfernt man zunächst Welle und Anker aus dem Motor und sticht in den Flicken ein Loch.

Schlauchflicken, Anker und Motorwelle

Im elastischen Flicken hält die Welle auch ohne Kleber. Nun wird er so zurechtgeschnitten, dass er genau das Loch im Anker ausfüllt. Die alte Membran sollte nicht entfernt werden, da an ihr die neue Halt finden wird.

Anker und Motorwelle mit fertig ausgeschnittener Ersatzmembran

Nach einer Passprobe muss die Ersatzmembran wieder abgezogen werden. Dann wird die Welle in den Motor eingesetzt, der Anker daraufgesetzt und zuletzt die Ersatzmembran aufgezogen. Mit einem Zahnstocher wird ein wenig Klebstoff auf ihren Rand aufgetragen. Während dieser trocknet, sollte man den Anker an die Membran drücken, beispielsweise indem man zwischen Anker und Bürsten zwei Zahnstocher steckt.

Bewertung


Beim langsamlaufenden Bastelmotor 630 handelt es sich um ein interessantes Stück Technik. Er ist bemerkenswert einfach aufgebaut, aber auch ineffizient und schwach. Als Mühlradantrieb hätte er heute noch seine Daseinsberechtigung, wenn man die Membran durch etwas Haltbares ersetzen würde, z. B. eine Stahlfeder. Auch eine Ansteuerung über einen Decoder wäre mit gepulster Spannung möglich. Wo es aber nicht nur auf Optik ankommt, sondern auch ein nennenswertes Drehmoment erzeugt werden muss, sind herkömmliche Motoren haushoch überlegen.

4 Kommentare:

  1. Hallo,

    danke für den interessanten Blogpost, auf den ich gekommen bin als ich nach Tipps zur Wartung/Reparatur des Faller 631-Kontaktgebers gesucht habe.

    Mein 631 funzt zwar leidlich, aber der Anker vibriert wie wild und das daraus resultierende Geräusch hält man keine fünf Minuten aus. Einen Riss der Membran kann ich nicht erkennen. Wenn ich den Anker auf einer Seite leicht mit dem Finger antippe, "beruhigt" er sich wieder, aber nach ein paar Sekunden "fliegt" er wieder raus und vibriert lautstark.

    Was meinst Du? Hat die Membran einen Schaden? In der Draufsicht scheint es so, als würde eine Seite des Ankers dichter an den Bürsten liegen als die andere Seite, das wird dann durch das Antippen mit dem Finger kurzzeitig behoben.

    Ich habe dann versucht durch das Herausziehen der Antriebswelle den Anker näher an die Bürsten ranzuziehen, aber auch das funktioniert nur vorübergehend, zumal dann der Gewindekopf das Zahnrad der Antriebswelle berührt. Alternativ könnte ich eine Art Zwischenlegscheibe zwischen Gewindekopf und Zahnrad legen und das einfetten, aber das klingt mehr nach Murks als nach dauerhafter Lösung.

    Ich würde mich über Deine Meinung hierzu sehr freuen.

    Viele Grüße

    Lutz

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    1. Welche Seite ist es denn, die näher an den Bürsten ist? Ist es immer an der gleichen Bürste oder wechselt es mit der Drehung des Ankers? Ich könnte mir vorstellen, dass eine Bürste im Laufe der Jahre flachgedrückt wurde und nun den Abstand zwischen Anker und Joch nicht mehr halten kann; andererseits kann es natürlich auch sein, dass die Membran sich verzogen hat.

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  2. Hallo Clemens,

    danke für Deine Antwort.

    Es ist immer die gleiche Seite. Bei der Draufsicht von oben die linke Seite. Die Bürsten scheinen die gleiche "Höhe" zu haben.

    Das Verziehen der Membran könnte auch ein Grund zu sein. Ich schaue es mir am Wochenende nochmal an und schreibe dann wieder.

    Viele Grüße

    Lutz

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  3. Hallo Clemens,

    Deine Idee ist gut, so baute es Faller selbst. Ursprünglich war die Scheibe komplett aus Metall mit ein paar Rillen drin, also ohne den gelben Kunststoffüberzug. Darauf war von außen ein viereckiges Stück Gummi wie von einem Fahrradschlauch geklebt, mit einem Loch in der Mitte. Wenn ich ganz tief in der Bastelkiste wühle, werde ich eine solche Ausführung wohl noch finden, ich weiß aber nicht, wie ich hier ein Bild veröffentlichen soll.

    Viele Grüße Stefan

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